Waldstrasse 3-16

Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und des rapiden Bevölkerungswachstums der Stadt Greiz wurde, wie in anderen Städten auch, dringend Wohnraum benötigt. Die Stadt Greiz erlebte einen Bauboom im Mietwohnbereich, dessen Aufträgen sich vor allem hiesige Bauunternehmer annahmen. Hervorzuheben sind hier der Maurermeister Albin Freund und der Bauunternehmer Friedrich Schellenberg, die zusammen einen ganzen Straßenzug erschufen. Zwischen 1904 und 1913 entstanden in der Waldstraße 14 Gebäude wie aus einem Guss. Nachdem Friedrich Schellenberg 1904 mit nur 46 Jahren verstarb, setzte Albin Freund die planmäßige Bebauung der Waldstraße auf seinen dazu erworbenen Grundstücken allein fort. In den meisten Fällen handelte es sich um reine „Bauträgermodelle“, also um Häuser, die für spätere Eigentümer und Mieter errichtet wurden.

Um die zahlreichen Wohn- und Geschäftshäuser nicht monoton erscheinen zu lassen, war eine vielfältige Ornamentik gefragt. Hier entschied man sich vermutlich für das Fassadendekor aus Musterbüchern und verzichtete dabei auf verschwenderischen Linienreichtum und Verspieltheit. Letztlich mischen sich bei den relativ einfachen Putzfassaden traditionelle Dekorationen mit Jugendstilformen.

Zu den beliebten Gestaltungselementen gehören von Beginn an Tierdarstellungen, wie etwa unscheinbare und bislang wenig beachtete Arten. Ganz im Geist des Jugendstils schmückt Albin Freund die Schauseiten von Waldstraße 11 und 14 mit sehr naturgetreuen Tiermotiven. Insbesondere der kurzlebige, fragile Schmetterling unter dem Erker von Waldstraße 11 zeugt von der Inspiration durch die Natur. Bei Waldstraße 14 bevorzugte er den ambivalenten Rabenvogel mit seiner weitreichenden Symbolik.

Besonders hervorzuheben ist die abwechslungsreiche Gestaltung der Haustüren, die für sich genommen schon sehenswert sind. Zusammen mit ihren Einfassungen verschmelzen sie zu einem Gesamtkunstwerk. Bei einer Vielzahl der hier angesiedelten Häuser ist das Eingangsportal mit einem Oberlicht ausgestattet – eine weitere architektonische Besonderheit der Zeit. Beim Eingang Waldstraße 10 lässt sich als Dekor ein inverses Hexagramm umgeben von Lorbeerranken – auf denen Vögel sitzen – erkennen. Das Hexagramm wird aus zwei gleichschenkligen Dreiecken gebildet. Mit seiner vielseitigen Symbolik fand es in der Vergangenheit unterschiedlichste Verwendung. Im hiesigen Fall ist die genaue Interpretation dieses Motivs jedoch noch offen. Im Kontext zum Hauseingang könnte es als magisches Symbol mit schützenden Kräften gesehen werden.

Sicher ist, dass Waldstraße 3 ab 1904 der Geschäftssitz von Bauunternehmer Albin Freund war und er dort einige Jahre später mit seiner Familie wohnte. Eine Gedenktafel am Hauseingang erinnert heute daran.

...Auszug aus dem Buch "Jugendstil in Greiz - Ein Kleinod an der Europäischen Jugendstilstraße"