Hoher Stein

Felix Günther – Aufstieg und Fall eines Papierfabrikanten
Haben Sie die das stattliche Eigenheimgebiet im Mitschurinweg bemerkt? Dieses Gebiet ist bei vielen noch als die Günthersche Papierfabriksiedlung bekannt. Felix Günther, Sohn des Greizer Papierfabrikanten Otto Günther, prägte die Entwicklung der Papierindustrie in Greiz maßgeblich. Nachdem er 1892 in den elterlichen Betrieb eingetreten war, entwickelte er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder zu einem der größten privaten Arbeitgeber der deutschen Papierindustrie weiter. Unter seiner Leitung wurde die Produktion auf hochwertige Effekt- und Phantasiepapiere umgestellt, die weltweit Absatz fanden. Besonders erfolgreich war Günther mit sogenannten Fotoschutzpapieren, mit denen er drei Viertel des europäischen Bedarfs deckte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gelang ihm die Erfindung des Krepppapiers – ein Material, das in Kriegszeiten für Verbände und später als Verdunklungspapier verwendet wurde.
Günther nicht nur ein wirtschaftlicher Leistungsträger, sondern auch eine prägende Figur in der Stadt. Er ließ in den 1920er Jahren auf der Irchwitzer Flur, oberhalb der Papierfabrik, eine Siedlung für seine Angestellten errichten – mit eigener Villa, die an ein Gutshaus erinnerte, und einem privaten Friedhof. Auch ein Kindergarten wurde gegründet, das sogenannte Margaretenheim – laut Recherchen einer der ersten Kindergärten weltweit, der Kinder von Betriebsangehörigen und „Betriebsfremden“ aufnahm.
Eine umstrittene Persönlichkeit
Auf der einen Seite sozial engagiert, auf der anderen als autoritärer Unternehmer bekannt, der seine Arbeiter schlecht bezahlte. In der Bevölkerung trug er den Beinamen „Fürst von Irchwitz“. Sein opulenter Lebensstil und seine Kontakte zu NS-Größen führten nach dem Zweiten Weltkrieg zu seiner Verhaftung und schließlich zur Enteignung seines Unternehmens im Jahr 1946. Die Papierfabrik wurde in einen volkseigenen Betrieb überführt, Felix Günther verließ Greiz und starb 1952 in Duisburg.
Mit seinem Weggang endete nicht nur die Ära der Günthers als Papiermacher in Greiz, sondern auch ein Kapitel regionaler Industriegeschichte – geprägt von Innovation, Aufstieg, gesellschaftlichem Einfluss und schließlich tiefem Fall.

Heimat von Lieb & Finger
Hier in den Felsvorsprüngen zwischen dem Hohen Stein und der Köhlerspitze lebte um die Jahrhundertwende ein ungewöhnliches Duo: Johann Gottlieb Flach („Lieb“) und Johann Heinrich Fretzschner („Finger“). Die beiden Sonderlinge zogen es vor, in primitiven Höhlen unter einfachsten Bedingungen zu leben – abseits der Zivilisation und bewusst naturnah.
Ihr Lebensstil, der an steinzeitliche Verhältnisse erinnerte, faszinierte viele Greizer und Mylauer. An Wochenenden pilgerten Spaziergänger zu ihrem Höhlenlager, wo sich die beiden Naturmenschen bereitwillig interviewen ließen und sogar Ansichtskarten mit ihrem Bild verkauften. Ihr „Eigenheim“ bestand aus einem Felsüberhang mit ein paar einfachen Haushaltsutensilien und einer steinernen Kochstelle – ihr Leibgericht: Katzen- und Hundebraten.
Trotz ihrer rauen Lebensweise waren „Lieb“ und „Finger“ als friedliche, hilfsbereite Gelegenheitsarbeiter bekannt. Sie halfen bei Gartenarbeiten oder beim Entladen von Kohlenwagen – stets gegen eine Mahlzeit. Im Winter suchten sie Unterschlupf im Kesselhaus der Papierfabrik – geduldet von mitfühlenden Mitarbeitern. Bei Konflikten mit der Polizei zogen sie sich zeitweise in die „Venezianer-Höhle“ auf sächsischem Gebiet zurück – dort konnte sie der Irchwitzer Gendarm nicht verfolgen.